Dienstag, 25. Oktober 2011

Nicht die ganze wahrheit

Er war ihre große liebe. Sie waren ein perfektes paar. Nichtsdestotrotz betrog sie ihn regelmäßig. Diese kleine abenteuer empfand sie selbst nicht als „betrug“, eher als kleine auffrischung für die beziehung und notwendige stützen für ihren selbstwert. Mal war es ein freund von den eltern, mal ein student von der uni, an der sie unterrichtete, mal eine flüchtige urlaubsbekanntschaft.
Sie war der meinung, dass es akzeptierte lügen gibt. Keiner glaubt, dass die realität genauso wie in der werbung aussieht und schminke ist auch kein lüge. Jeder weiss doch, dass die frauen in der antifaltencreme-werbung höchstens vierzehn sind und das kein mittel dauerhaft die problemzonen von der celullite befreien kann.
Aber es gibt noch eine andere art von lügen, die man mit eigenem gewissen aushandeln muss und mit seinen mitmenschen, falls sie einen erwischen.
Sie hatte keinerlei probleme mit ihrem gewissen, nur manchmal ein bisschen angst erwischt zu werden. Nicht dass sie konsequenzen für sich wie szenen, geschweige den scheidung befürchtete. Sie wollte nicht das ihre abenteuer durch die aufklärung der besten hälfte zu den banalen seitensprüngen degradiert werden.
Es war nicht der sex oder zumindest ging es in der ersten linie nicht darum. Obwohl ihr mann zum zeitpunkt ihrer begegnung noch jungfrau aus überzeugung war, war dies kein hindernis auf dem weg zu erfüllten sexualleben der beiden: die romantisch-altmodischen vor-liebe-kein-sex überzeugungen ließen ihn trotzdem zum profi auf dem gebiet des nicht penetrativen verkehrs werden und damit zum durchaus attraktiven sexaulpartner.
Aber mit der zeit wird der beste liebhaber nicht aufregend genug. Und so suchte sie sich am besten die unerreichbaren männer aus, damit die gewürzmischung aus den gebrochenen hierarchien, großem altersunterschied oder zeitlicher begrenzheit ihren liasons einen aufregend verbotenen geschmack gab.
Ich war bestens über alles informiert. Mit ihr konnte ich über alles reden. Nur eine sache habe ich ihr verschwiegen. Dass ich ihren mann besser kannte, als es ihr lieb sein würde. Und dass wir uns regelmäßig trafen, um uns noch besser kennen zu lernen. Schlechtes gewisse hatte ich auch nicht. Ich fand es ist alles richtig und ok so, wie es ist, denn wer möchte schon die ganze wahrheit wissen?

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